Sitzhaltungen

Eine Yogaklasse beginnt meist im Sitzen auf unserer Matte. Dabei haben wir den Luxus aus einer Vielzahl an Sitzhaltungen zu wählen – sei es Fersensitz, Schneidersitz oder beispielsweise die bequeme Sitzhaltung. Um die Aufrichtung des Rückens zu erleichtern, empfinden es viele als angenehm einen Block oder eine gefaltete Decke unter das Gesäß zu legen. So sitzt es sich leichter. Denn was von außen oftmals so mühelos aussieht ist gar nicht so einfach. Ehe man sich versieht, ist die Aufrichtung verloren, der Rücken wird rund, die Schultern sinken ein und man wundert sich im Stillen, warum sitzen so anstrengend sein kann. Ja, warum eigentlich?

Zum einen aufgrund Gravitation. Diese ist natürlich notwendig, denn ohne sie wäre stabiles, sicheres Gehen, Sitzen oder Liegen nicht möglich. Gleichzeitig ist Schwerkraft aber auch mit Anstrengung verbunden, denn wir müssen stets gegen sie arbeiten. Selbst im Schlaf ist unser Körper damit beschäftigt den Druck auszugleichen und wir ändern unbewusst unsere Position. Im Sitzen oder im Stehen ist es nicht anders. Wir verlagern unser Gewicht, ändern die Beinposition, verwenden unsere Hände zur Unterstützung. Unser Körper ist also permanent bemüht uns gegen die Schwerkraft aus- und aufzurichten. Diese unbewussten Abläufe berücksichtigend, erscheint es nun auch plausibel, warum das Verweilen in einer Sitzhaltung auf unserer Yogamatte oftmals keine Leichtigkeit darstellt. Durch bewusste Aufrichtung mit jedem Atemzug oder etwaigen Hilfsmitteln um das Gesäß etwas höher zu bringen, wie z.B. einer gefalteten Decke, versuchen wir der Schwerkraft entgegenzusteuern.

Der zweite Grund, weshalb es uns schwer fällt, wie Kinder spielerisch auf dem Boden zu sitzen, ist weniger komplex und schnell auf den Punkt gebracht – unser Körper ist nicht (mehr) daran gewöhnt. Wir verbringen unseren Alltag zu einem großen Teil sitzend auf Stühlen oder Sofas, zudem ist ausreichend Bewegung um die Geschmeidigkeit unseres Körpers zu erhalten für viele zeitlich nicht immer machbar. Dieses Problem eines steifen Körpers aufgrund mangelnder Bewegung gab es in frühen Zeiten des Yoga nicht. Man übte sich lediglich in einer Asana – dem Lotossitz oder dem Schneidersitz und versuchte mit Atmung und Fokussierung einen höheren Bewusstseinszustand zu erreichen. Der Sitz sollte somit zu einer inneren Ruhe und Zentriertheit führen. Nun scheint es auch nicht verwunderlich, dass der Begriff Asana tatsächlich als „Sitz“ übersetzt werden kann und die Praxis aller weiteren Asanas ursprünglich den Zweck hatte, Körper und Geist auf die Meditationshaltung im Sitzen vorzubereiten.

Soviel zur Theorie, aber wie sieht das nun in der Praxis aus? Grundsätzlich gilt – finde die für dich richtige Sitzhaltung. Jeder Körper ist einzigartig, was für

manche gut funktioniert, kann für andere mit Schmerzen verbunden sein. Achte deshalb darauf, dass du den Zeichen deines Körpers folgst und eine Haltung wählst, die dir angenehm ist. Dabei solltest du dir Zeit nehmen und wirklich gut spüren, ob sich die Position für dich in dem Moment tatsächlich gut anfühlt. Unsere Tagesverfassung schwankt, was gestern gut und leicht ging, kann sich heute schwer anfühlen – oder umgekehrt. Schenke deinen Knien, Füßen, Knöcheln und Waden dabei ganz besondere Aufmerksamkeit. Behalte dir demnach am besten eine gewisse Flexibilität und Offenheit bei der Wahl „deines“ Sitzes und versuche ihn den Bedürfnissen deines Körpers (immer wieder neu) anzupassen. Und zu guter Letzt – zwinge dich nicht hinein und übe herausfordernde Positionen wie den vollen Lotussitz ausschließlich, wenn er dir ohne Mühe gelingt, da er den Knien ansonsten dauerhaft Schäden zufügen kann.

Hat man sich dann in einer angenehmen Haltung eingefunden, stellt sich die Frage – wie sitzt man eigentlich richtig? Ein idealer Sitz weist eine gewisse Balance zwischen Stabilität und Leichtigkeit auf. In jedem Fall ist es keine starre oder steife Position, vielmehr ermöglicht sie es den Atem frei fließen zu lassen und so den gesamten Körper in eine sanftes, energetisches Pulsieren zu versetzen. Wie bereits eingangs erwähnt, bieten Hilfsmittel wohltuende Unterstützung und helfen uns in unserer Aufrichtung. Egal ob Block, gefaltete Decke oder Kissen – scheue nicht davor zurück, deinem Körper mit diesen einfachen Tools Hilfestellung zu geben. Sei neugierig und probiere Verschiedenes aus. Beispielsweise kann es sehr förderlich sein, die Knie im Schneidersitz auf zwei Blöcken abzulegen, sollten diese in der Luft „hängen“, oder die Hüfte durch ein Hilfsmittel deiner Wahl unter dem Gesäß zu entlasten. Sitze hierbei möglichst am Rand deiner Unterlage und eher am vorderen Teil deiner Sitzbeinhöcker. Generell sollte dich dein Hilfsmittel dabei unterstützen, dein Becken aufzurichten bzw. es eher nach vorne zu kippen.

Egal für welche Sitzhaltung du dich letztlich entscheidest, grundsätzlich können für eine achtsame Ausführung eines aufrechten Sitzes folgende Punkte beachtet werden:

  • die Sitzbeinhöcker sind gleichmäßig belastet und gut geerdet auf der Unterlage, das Becken ist gerade ausgerichtet
  • achte auf die natürliche Biegung deiner Wirbelsäule; die Lendenwirbelsäule macht eine sanfte Biegung nach vorne (kein Hohlkreuz!) oder ist wenigstens gerade ausgerichtet. Falls das nicht möglich ist – setze dich höher.
  • optimalerweise sind die Knie unterhalb der Hüften und „hängen“ nicht in der Luft; sollte

das der Fall sein, dann unterlagere sie mit geeigneten Hilfsmitteln

  • die Hände liegen entspannt auf den Oberschenkeln
  • richte Rücken und Brustkorb auf und ziehe die Schulterblätter zueinander
  • schiebe deinen Kehlkopf etwas nach hinten und gleichzeitig den Hinterkopf sanft nach oben Und bei all dem, das es zu beachten gibt – vergiss nicht – Yoga ist kein Wettbewerb. Verharre in keiner Sitzhaltung, wenn sie plötzlich unangenehm werden sollte. Gehe raus und wechsle deine Position. Schließlich geht es nicht darum irgendwelche Erwartungshaltungen zu erfüllen, sondern um deine ganz eigene Praxis und diese ist so individuell wie jeder Mensch.